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"Aufgeblasener Konstruktivismus" Dr. Heinz Schütz, München

Eines der radikalsten und berühmtesten Bilder des 20. Jahrhunderts ist das Bild eines schwarzen Quadrats. Es wurde in 1915 von dem russischen Künstler Kasimir Malewitsch gemalt. Er hatte sich von der alten abbildenden Kunst abgewandt und einer neuen, von ihm Suprematismus genannten Kunst zugewandt. Das Schwarze Quadrat, das er wie eine religiöse Ikone präsentierte, war für ihn eine "Null-Form", die sich vom "Gegenständlich-praktischen" löste und die Erfahrung der reinen Gegenstandslosigkeit ermöglichte. Im Rückblick auf  die avantgardistischen Kunstrichtungen Konstruktivismus und Suprematismus – beide bedienen sich, wenn auch zu unterschiedlichen Zwecken, elementarer geometrischer Formen – wird das Schwarze Quadrat zu einer Ikone der Kunstgeschichtsschreibung und zum Bezugspunkt (post)avantgardistischer Künstler wie Wilhelm Koch. So ist Wilhelm Kochs Werkreihe  "Aufgeblasener Konstruktivismus" eine Hommage und unkonventionelle Fortsetzung, aber auch eine latent ironische Transformation suprematistischer und konstruktivistischer Geometrie. Bereits der Titel der Serie lässt sich zweifach lesen. "Aufgeblasen" kann "hochstilisiert" und "übersteigert" bedeuten, aber auch ganz konkret: mit Luft gefüllt. Und in der Tat setzt Wilhelm Koch bereits Anfang der Achtzigerjahre Luft ein. Er verknotet aufgepumpte Fahrrad- und Autoschläuche zu organischen Pneuplastiken und benützt aufgeblasene Schläuche, aus denen er die Luft ablässt, als Instrumente für Luftkonzerte. Mit dem Einsatz von planem Gummi von der Rolle wendet er sich dann Mitte der Achtzigerjahre dem Konstruktivistischen zu. In Konstruktionen wie "Quadrat" und "Kreis" werden bei Koch die schwarzen Formen, die bei Malewitsch flächig sind, plastisch. Schwarzer Kreis und schwarzes Quadrat wölben sich nun als reliefartige Objekte in den Raum. Das händisch Gemalte wurde zur technischen Konstruktion aus Gummi, Stahl und Luft. Wenn Malewitsch seine  gegenstandslose Kunst als "befreites Nichts" bezeichnet, so ist bei Koch das Kunstwerk selbst zum Gegenstand geworden und doch bleibt eine Affinität zum "Nichts", denn optisch betrachtet ist Luft ein Nichts. Sie ist ein Nichts, das allerdings immense physikalische Kräfte entfalten kann, wenn es Gummi wölbt und in Kochs "Zweikammer-" und "Dreikammersystem" nebeneinander stehende Formen verbindet und über den Druckausgleich ihre Wölbungsbalance herstellt. Der vom Luftdruck gewölbte Gummi funktioniert dabei wie eine Membrane, die auf Druck von Innen und Außen reagiert. Das numinose, "heilige" Nichts der Suprematisten wurde in Kochs "Aufgeblasenem Konstruktivismus" physikalisch – der elastische Gummi, die leichte Luft, der schwere Stahl.

Aufgeblasener Konstruktivismus

Erste Arbeiten dazu seit dem Jahr 1990.